September 2018

Es ist so weit. Der erste Monatsblog.

Und ja, ich bin jetzt schon wirklich über einen Monat weg von daheim, von meinen Freunden, meiner Familie, meiner Heimat. Am Anfang fühlte sich das Ganze noch wie eine Art Urlaub an.

An den Welcome-Days im Tierpark, die Stadt besichtigen, eine Bootstour machen und alles was als Vollzeittourist eben dazu gehört. Und erst ab den ersten ein bis zwei Wochen hier in Odessa, ging langsam das Urlaubsgefühl in ein Alltagsgefühl über. Und ich muss sagen, auch wenn ich bereits jetzt, nach nur einem Monat, zuvor noch nie so lange von meiner gewohnten Umgebung getrennt war, bin ich froh, dass ich endlich dieses Alltagsgefühl habe. Denn das bedeutet vor allem eines für mich: Ich bin hier angekommen.

 

Ich kenne meine Arbeitsstelle, die Kinder mit denen ich arbeite und die Mitarbeiter, mit denen ich zusammenarbeite. Ich weiß, wann ich wo sein muss. Ich weiß, was ich zu tun habe.

Das gibt einem große Sicherheit im Alltag und lässt die Tage so schnell vergehen, dass mir eigentlich noch gar nicht aufgefallen ist, dass bereits ein Monat vergangen ist - fast schon ein bisschen zu schnell.

 

Ich hatte bereits auch schon mein erstes Tief, denn ich war ein paar Tage krank. Lebensmittelvergiftung. Das kommt wohl davon, wenn man die Wurst hier gleich am Anfang probieren will und mein Magen nicht darauf eingestellt ist und die Standards hier doch ein weniger anders als bei uns sind. Dann hieß es erstmal ein paar Tage daheim verbringen und die ersten Bekanntschaften mit einem ukrainischen Krankenhaus machen - zum Glück sind wir alle auslandsversichert und es war deswegen eine Privatklinik. Trotzdem hat das die ganze Situation nicht all zu sehr verbessert. Ich hoffe, dass das eine einmalige Sache für meinen Körper über den Rest des Jahres bleibt, und das ganze nicht regelmäßig vorkommt.

 

Während meiner Zeit hier hat sich aber auch schon so einiges verfestigt: Montags und donnerstags erstmal um 8 Uhr aufstehen, fertigmachen und dann mit der Straßenbahn Richtung Bahnhof fahren. Eine Stunde Zugfahrt und dann gibt's erstmal Kaffe, Tee und ne Kleinigkeit zum Essen in Petrovka. Vor dem Mittagessen Hausaufgaben machen und wenn die Kinder schnell fertig sind, geht's auch schon ab auf den Spielplatz: "Sala" spielen, also Fangen spielen. In Kryschanovka bin ich jetzt dienstags und freitags mehr oder weniger offiziell für das Essen zuständig. Ich koche nicht nur nach dem Plan, sondern darf auch meine eigenen Gerichte einbringen. So gibts diesen Dienstag erstmal Semmelknödel mit Hähnchengeschnetzeltem, Freitags gibt's Chili con Carne - von den Kindern kam der Wunsch Mal etwas scharfes zu essen. Und wenn wir schon beim Essen sind: Mittwochs gibt's Borschtsch in Pausotvskava. Jeden Mittwoch... Am Anfang war ich noch sehr, von der für die osteuropäische Küche bekannte Suppe, die aus Fleisch, Zwiebeln, Karotten, Tomaten, Roter Beete und vor allem Weißkraut besteht, begeistert. Mittlerweile hat sich das Ganze schon etwas gelegt. Außerdem ist Mittwoch mein Fußballtag, denn an diesem Tag geht's IMMER zum Fußballplatz - und was soll ich sagen: mittlerweile bin ich ein echter Fußballfan geworden, auch wenn es am Anfang eher mehr gezwungenermaßen, als freiwillig war.

 

Was noch nicht fester Bestandteil meiner Arbeit mit den Kids ist, aber hoffentlich bald sein wird, sind Englischkurse, die ich gerne geben würde. Viele Kinder haben leider ein nicht so gutes Englisch und Kommunikation damit funktioniert nur sehr bedingt. Für die Kinder ist es sicher von Vorteil und auch für mich ist es nicht schlecht, mein Englisch frisch zu halten. Wenn genug Kinder es wollen, werde ich auch ein bisschen Deutsch unterrichten, da dies bereits auch letztes Jahr gemacht wurde. Hier ist Deutsch übrigens eine gar nicht mal so unbeliebte Sprache, die man in der Schule erlernen kann. Einige Schüler haben es bereits seit der 5. Klasse mehrmals pro Woche.

 

Und so wie die Schüler hier jeden Tag Deutsch lernen, so lerne ich auch jeden Tag, Stück für Stück, Russisch. Ich verstehe mittlerweile schon viel mehr, als am Anfang, und kann zum Teil schon einigen Konversationen folgen. Selbst zu sprechen ist dagegen schon um einiges schwerer, aber jeder Tag hier, ist ein Gewinn für meine Sprachkenntnisse. Und bei meinem gebrochen Russisch ist es natürlich ganz klar, dass es schon zu der ein oder anderen peinlichen Situation kam, von denen ich euch ein paar nicht vorenthalten will.

Einige davon waren im Supermarkt. Ein Beispiel wäre, dass vor dir in der Schlange an der Kasse zwei Asiaten stehen, vermutlich Vietnamesen, die sich in ihrer Sprache unterhielten. Die Supermarktfrau, die alles so ein bisschen überwacht, fängt ein wenig an zu lachen und sieht mich dabei an. Um nicht nur dumm dazustehen, grinse ich auch zurück.. "immer diese Ausländer". Gegrinst habe ich dann so lange, bis ich selbst an der Reihe war und keinen blassen Schimmer hatte, was die Kassierin von mir wollte. Im Nachhinein dachte ich mir 'vermutlich Kleingeld', als sie mir mit bösem Blick einen Haufen kleiner Scheine und ein paar Münzen als Wechselgeld zurückgab.

Oder wollte euch zum Beispiel schon mal im Supermarkt die Frau hinter euch, euren Sixpack Wasser raustragen helfen? Wenn du was einkaufst, die Kassierin irgendwas mit "seperatzie" oder so ähnlich sagt und auf das Wasser deutet. Ich dachte halt, ich solle es 'separat' zahlen. Na gut, dann hab ich ihr eben das Geld gegeben und gewartet, bis sie mir den Preis für das Wasser sagt. Doch irgendwie schauen mich nur alle an und fragen sich, was der Typ eigentlich macht. Schließlich hob die Frau hinter mir den Sixpack schon leicht an und sagte nur sehr wütend: "Nimm es endlich, schon zum dritten Mal jetzt". Das habe ich dann allerdings verstanden und bin, MIT Sixpack endlich, aus dem Laden verschwunden.

Weitergehen könnte es am Tatort Straßenbahn. Einer Frau die falsche Haltestelle sagen und sie wirft dir böse Blicke zurück, als die Tramwait weiterfährt und sie gemerkt hat, dass es nicht ihre Station ist, geht ja noch. Peinlich wird es erst dann, wenn du einer Frau die falsche Station sagst und selbst auch aussteigst.. an der falschen Haltestelle, und ihr gemeinsam in Richtung der richtigen Station geht.. ich bin etwas schneller gegangen.

Dazu würde auch eine Situation in der Marschrutka, den kleinen Bussen passen. Wenn du die erste Station bist, alle Leute erst in der Stadt rausmüssen, du aber schon nach 8 Stationen wieder aussteigen musst und dich genau in der Mitte befindest. Du lässt dein Geld nach vorne geben und sagen, dass hinten aufgemacht wird. Dann fragt dich eine Frau, ob du das Dachfenster aufmachen kannst, dass du erst nach dem zweiten Mal verstehst und du das Fenster natürlich nicht aufbekommst. Deswegen verpasst du natürlich deine Haltestelle und versuchst dich an der nächsten an alle Leute vorbeizudrücken. Ihr wisst ja ziemlich alle, dass ich bis auf meiner Größe nicht gerade aussehe, als hätte ich eben frisch ein 'Foto von Heidi' bekommen. Auch hier böse Blicke in der mehr als engen Marschrutka.

 

Mittlerweile habe ich mir das Ganze ein bisschen einfacher gemacht. Die Haltestellennamen verstehe ich nicht alle,  nach einmal nachfragen und nicht verstehen gebe ich das Geld einfach nach vorne, der Bus wird schon an den Haltestellen halten - und hat er bis jetzt auch immer. Wenn ich einer Frau das Geld gebe und sage wo ich raus muss, eine Person hinter mir irgendwas zusagt, was ich natürlich nicht verstehe, Geld in die Hand drückt und die Frau fragt, wo er raus muss, folgt meinerseits einfach ein: Auch. Das klappte bis jetzt auch immer ganz gut. Man gibt nämlich das Geld immer ca. eine Station vorher an den Fahrer, je nachdem wie weit entfernt man von ihm sitzt. Und weil es so eng ist und man nicht einfach nach vorne gehen kann, wird das Geld von hinten nach vorne gereicht. Eigentlich eine gute Idee, wenn nicht so Ausländer wie ich das ein bisschen durcheinander werfen würden.

 

Ich kann also sagen, dass ich mich nach einem Monat schon sehr gut eingelebt habe. Ich koche, lade Freunde zu mir ein, spiele auch mal nach der Arbeit oder am Wochenende Fußball, fahre un die Stadt oder ans Meer. Es wird jeden Tag ein Stück mehr zu meinem zu Hause. Und dieses Gefühl bekommt man auch, wenn man im Supermarkt die gleichen Leute sieht, die gleichen Kassierer. Du weißt, wann und wo Bus und Bahn fahren, wo du aussteigen musst und welche du nimmst. Du die Straßenbahn-Kontrolleurin kennst und dich die älteren Jungs auf der Straße mit "brat moij" - "mein Bruder" begrüßen und du ein wenig mit ihnen plauderst. So langsam habe ich nicht nur allgemein Odessa, sondern auch mein Viertel, 'mein Paustovskava', ins Herz geschlossen.

Es war wirklich ein toller Monat, mit wenigen Tiefs und sehr vielen Hochs.

 

Wenn ihr Fragen habt oder mir irgendwas schreiben wollt, was euch spontan so durch den Kopf geht, dürft ihr das gerne kommentieren.

 

- Einen Monat bin ich schon weg von daheim und ich freue mich schon auf die nächsten elf Monate in der Ferne -

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